Teil 2: Das Exempel
Nachdem sich Frau Dr. Kramer am Carolus-Gymnasium eingelebt hat, kommt sie zu dem Schluss, dass es vor allem ihre Kollegen sind, die ihr Kopfzerbrechen bereiten. Kein Wunder, denn Probleme mit Schülern löst sie schnell und zielsicher auch auf unorthodoxe Weise. Auch wenn Direktor Berwig nicht begeistert von den ausgefallenen Methoden seiner neuen Lehrkraft ist, so findet er doch keine Argumente, die ihren Erfolg schlagen können.
Der Vater im Bau
Trotz der Aussage der Kramer, sie käme mit den Schülern bestens zurecht, fokussiert die zweite (und im kommenden auch die dritte bis fünfte) Episode vor allem genau dieses Verhältnis. Es wird von gegenseitigem Verständnis bestimmt, was für eine Schüler-Lehrer-Relation in den 1960er Jahren nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit war. Reibereien tauchen hier lediglich unter den Schülern selbst oder im Umgang mit festen Regeln des Schullebens auf, wachsen sich aber auch im Rahmen einer 25-Minuten-Folge wie eben in "Das Exempel" gerade in den jüngeren Jahrgängen manchmal zu waschechtem Mobbing aus. Es basiert dieses Mal auf dem Umstand, dass der Vater des Schülers Löffler in Untersuchungshaft genommen wurde; "ein Knastfrüchtchen" sei Paul Löffler deshalb und er müsse doch am besten erklären können, was ein Alibi ist.
Auch wenn die Reaktion Pauls auf die Anschuldigungen gegen ihn und seinen Vater ein wenig zu impulsiv und dramatisch wirken - der Junge möchte doch wirklich nicht nur nicht mehr in die Schule gehen, sondern spielt gar mit dem Gedanken, sich von einem Turm zu stürzen -, so dient die Geschichte vor allem der Illustration einer fantastischen Lehrstunde, die die Kramer ihrer Sorgen-Klasse mittels eines einmaligen Exempels erteilt. Den Unterschied zwischen einer Untersuchung und einer Verurteilung führt sie ihren Jungens so hautnah vor Augen, dass diese ihn garantiert nicht vergessen werden und der Schluss der Geschichte, in der sich Rädelsführer Heiner und Spott-Opfer Paul plötzlich wieder bestens vertragen, nicht einmal so ungeheuer konstruiert wirkt.
Zu den inhaltlichen Qualitäten, zu denen auch kleine, heimlich vertraute Spitzen vor allem in Gestalt des Rektors Berwig hinzukommen (ein Junge muss auf Toilette, darf sich aber erst einmal anhören, dass gerade Pause war), gesellt sich hier vor allem schönes Lokalkolorit aus Baden Baden. Paul führt uns bei seinem Ausreißer aus der Schule u.a. in die Kirchenstaffeln sowie auf den Merkurturm auf dem gleichnamigen Berg. Dieses Bauwerk aus der Mitte des 19. Jahrhunderts spielt für den Südwestfunk eine besondere Rolle, fungiert es doch seit 1950 als Sendeturm für den Hörfunk und seit 1953 für das Fernsehen.
Regie: Hans Müller. Drehbuch: Günter Dönges nach einer Idee von Paul Hans Rameau. Kamera: Siegfried Blohm, Hans-Jörg Allgeier. Ton: Karl-Heinz Braun, Fritz Nebrich. Schnitt: Romy Essig. Musik: Martin Böttcher. Bauten: Renate Meduna. Produktionsleitung: Hans-Bolko Marcard. Eine Produktion der Werbung im Südwestfunk GmbH, 1969. TV-Erstsendung: 13. November 1969.
Die Personen und ihre Darsteller:
Frau Dr. Kramer: Barbara Rütting. Direktor Dr. Berwig: Herbert Tiede. Dr. Junghans: Rainer Penkert. In weiteren Rollen: Edith Mill, Horst Werner Loos, Michael Würden, Christian Muth, Mathias Einert, Rainer Gröbel u.v.a.
"Die Kramer" ist bei PolarFilm auf DVD erschienen. Das 2-Disc-Set umfasst alle sechs Episoden der Serie in chronologischer Reihenfolge und erstklassiger Bildqualität. Die Edition ist bei allen DVD-Händlern zum Preis von 12 bis 17 Euro erhältlich.
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