Teil 3: Ein Schüler vom Lande
Wie ist der Leistungsabfall eines Spitzenschülers zu erklären? Familiäre Schwierigkeiten? Der Tod des Vaters gar? Unsinn, meint Dr. Moosmann, schließlich sei das schon einige Monate her. Doch vielleicht hat Frau Dr. Kramer gar nicht so unrecht, wenn sie die Probleme von Wolfgang Heusner in seinen privaten Verpflichtungen sieht.
Das Schicksal der Fahrschüler
In erster Linie zeigt sich "Ein Schüler vom Lande" als Problemschilderung einer Doppelbelastung: Schule, so die Botschaft, ist eine nicht zu unterschätzende Beschäftigung, die die komplette Aufmerksamkeit und Konzentration eines Schülers erfordert. Verpackt wird diese manchmal gern vergessene Kunde in schöne Landschafts- und Dorfaufnahmen aus der Umgebung von Baden Baden, wobei die Studioaufnahmen wie etwa vom Bauernhof der Heusners qualitativ stärker abfallen, als man es aus anderen Episoden der Reihe gewöhnt ist. Als Entschädigung dürfen der Blick in einen von der Deutschen Post betriebenen Sechzigerjahre-Linienbus sowie eine Kunststunde in Form eines Museumsbesuchs gelten. Schaut man jedoch noch ein wenig genauer hin, so entdeckt man neben dem Hauptthema eine weitere wichtige Aussage in "Ein Schüler vom Lande": die Empfehlung, auf jeden Fall zu studieren, wenn eine entsprechende Begabung vorliegt. Die Werbung für das Studium als Bildungsweg erscheint uns heute vor dem Hintergrund kontinuierlich steigender Studentenzahlen vielleicht selbstverständlich, doch nach den Studentenunruhen im Jahr 1968 sahen es die Macher des öffentlich-rechtlichen Fernsehens wohl als notwendig an, zu versichern, dass nicht allein Querdenkertum und Demonstationswille, sondern vor allem Wissen und Können Grundlage für eine wissenschaftliche Ausbildung sind.
In dem freundschaftlichen Verhältnis von Dr. Kramer zu ihrem ehemaligen Kollegen Dr. Junghanns wird im Rahmen der Miniserie eine interessante Charakterentwicklung porträtiert. Der Mann dient vor allem als Projektionsventil der Ansichten der Kramer, weil er einen ihrer wenigen Verbündeten darstellt und außerdem enge private Verbingungen zu aktuellen Kollegen - nicht unbedingt gern gesehen, obschon sich auch Dr. Vollmer im ersten Augenblick dafür anbieten würde - überflüssig macht. Penkerts trocken-liebenswerter Satz "Schüler müsste man sein bei Ihnen" fasst außerdem schon halbwegs durch die Serie die Essenz dessen zusammen, was offenbar mit "Die Kramer" beabsichtigt war: eine Musterpädagogin neuer Couleur zu zeichnen.
Regie: Hans Müller. Drehbuch: Günter Dönges nach einer Idee von Paul Hans Rameau. Kamera: Siegfried Blohm, Hans-Jörg Allgeier. Ton: Karl-Heinz Braun, Fritz Nebrich. Schnitt: Romy Essig. Musik: Martin Böttcher. Bauten: Renate Meduna. Produktionsleitung: Hans-Bolko Marcard. Eine Produktion der Werbung im Südwestfunk GmbH, 1969. TV-Erstsendung: 20. November 1969.
Die Personen und ihre Darsteller:
Frau Dr. Kramer: Barbara Rütting. Dr. Junghans: Rainer Penkert. Dr. Moosmann: Hans Epskamp. Dr. Vollmer: Ernst A. Schepmann. In weiteren Rollen: Ilsemarie Schnering, Ulrich von Dobschütz, Arno Jürging, Michael Wuschick, Georg Fischer, Jürgen Stößinger u.v.a.
"Die Kramer" ist bei PolarFilm auf DVD erschienen. Das 2-Disc-Set umfasst alle sechs Episoden der Serie in chronologischer Reihenfolge und erstklassiger Bildqualität. Die Edition ist bei allen DVD-Händlern zum Preis von 12 bis 17 Euro erhältlich.
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