Freitag, 20. April 2012

Stimmen aus dem Rektorat II (Schundfilme?)


Die Kategorie "Stimmen aus dem Rektorat" stellt in losen Abständen Gastkommentare und
-entdeckungen vor. Dazu zählen sowohl aktuelle Meinungen und Einreichungen, die ihr jederzeit an mich schicken könnt, als auch wiederentdeckte Schätze aus dem recht kurzlebigen Lümmel-Forum, die es nicht verdient haben, sang- und klanglos zu verschwinden. Kommentare sind wie immer gern gesehen.


 Thema im April: Sind die Lümmelfilme einfach Schund oder etwa doch unterhaltsam verpackte Zeitkritik?

Als das Lümmel-Forum ganz frisch war, kam als eine der ersten Diskussionen die Frage auf, ob man die Lümmelfilme über ihren Wert als locker-flockiges Unterhaltungskino hinaus auch auf einer zeitgenössisch politischen Schiene verorten kann. Sie entstanden schließlich in einer Zeit des Umbruchs, in der sie in deutschen Schulen Veränderungen, Modernisierungen und Reformen begleiteten und ggf. auch selbst, etwa in Gestalt junger, fortschrittlicher Pädagogen, propagierten. Forumsmitglied Taft etwa schrieb über eine "besondere Atmosphäre von damals, (die) in die heutige Zeit nicht mehr zu übertragen ist". Das bedauert nicht nur er, denn beim heutigen Genuss der Lümmel-Filme spielen ganz klar nostalgische Faktoren eine wichtige Rolle.

Anders sah das 1968 und in den Folgejahren aus. Filmexperte Joachim Kramp führte hierzu aus: "Der erste Film 'Zur Hölle mit den Paukern' (basierte) ja (auf) einem Roman. Bedingt durch den sensationellen Erfolg ging anschließend nicht nur die Serie los, sondern viele andere wollten ebenfalls am Erfolg teilhaben. Sie galten damals als großartige Uterhaltung und wurden immerhin in der damaligen Zeit (1968-1974) von mehr als 100 Millionen Zuschauern im Kino gesehen. Das heißt alle, die bis Anfang der 1960er geboren wurden, haben diese Filme im Kino gesehen. Kritik am System waren sie auf keinem Fall, sie wollten einfach nur unterhalten."

Hansi Kraus und Günther Schramm in "Zur Hölle mit den Paukern"
Also doch kein greifbarer Gehalt hinter den Scherzen von Pepe und Co.? Ich denke doch: Joachim Kramp erwähnte, wie nah "Zur Hölle mit den Paukern" der Buchvorlage von Alexander Wolf ist. Wolf war nun seines Zeichens selbst Lehrer und kannte die Zustände im deutschen Bildungssystem nur zu gut. Sie waren mit Sicherheit sein Anreiz, überhaupt ein solches Buch zu verfassen. Ähnlich Spoerls "Feuerzangenbowle" nimmt es vor allem typische Lehrerfiguren, unter ihnen gern verkrachte Existenzen, auf die Schippe und macht ersichtlich, dass nicht jeder dafür geeignet ist, junge Menschen auszubilden.

Forumsmitglied Havi17 bestätigte diese Sichtweise für die "Lümmel von der ersten Bank"-Reihe: "Für mich stehen die Lümmel-Filme für die Seite der Schüler, die es wert sind, gute Lehrer zu haben. Die schlechten (dürfen) 'ihr Fett abbekommen'. Bei den Paukerfilmen, etwa dem Klassiker 'Der Pauker' oder 'Ein unmöglicher Lehrer' von 1993, gefällt mir, dass hier deutlich auf den Lehrer und dessen soziale Kompetenz hingewiesen wird. Hier zeigt sich die Schere, dass gerade leider meines Erachtens die meisten Lehrer diese nicht haben und diese auch nicht durch ein Pädagogikstudium erworben werden kann. Als dritte Komponente gefällt mir an beiden Varianten, dass der aktuelle Altersunterschied Schüler - Lehrer spannend ist, wobei sich die heutigen Erwachsenen weitaus jugendnäher verhalten."

Ruth Stephan und Hansi Kraus in "Pepe, der Paukerschreck"
Was jeder Einzelne in "Zur Hölle mit den Paukern" und der Welle an Schulfilmen, die diese Produktion auslöste, sieht oder nicht sieht, kann nicht allgemein festgehalten werden. Produzent Franz Seitz war sicher in erster Linie darauf aus, möglichst viele Menschen mit möglichst lustigen und kurzweiligen Drehbüchern ins Kino zu locken. Dass er sich als Grundlage für die Drehbücher aber ein so sensibles und wichtiges Thema wie die Schule ausgewählt hat, zeugt zumindest von intendierten Sticheleien und Fingerzeigen.

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