Donnerstag, 13. Dezember 2012

Unser Pauker - Alltagsgeschichten einer Berliner Familie

In den Jahren 1965 und 1966 strahlte das junge ZDF eine 20-teilige Unterhaltungsserie mit Georg Thomalla und Heli Finkenzeller in den Hauptrollen aus. „Unser Pauker“ erzählt Geschichten aus dem Leben einer Lehrerfamilie: Ulrich Schulz, genannt Parsival, unterrichtet eine Klasse an einer Berliner Grundschule, die auch sein Sohn Ricky besucht. Die Familie, zu der auch Mutter und Hausfrau Ruth sowie die beiden älteren Kinder Christian und Susanne gehören, zieht in eine Wohnung in Tempelhof, wo sie und ihre Nachbarn allerlei kleine und große Abenteuer, Familiendramen und Liebesgeschichten erleben. Auf sie konzentrieren sich die knapp 30-minütigen Episoden, deren Untertitel „Alltagsgeschichten einer Berliner Familie“ bereits ankündigt, dass es sich weniger um Lümmel- und Pauker-Erzählungen im eigentlichen Sinne handelt. Einige Geschichten spielen freilich trotzdem vor schulischem Hintergrund, was gemeinsam mit der Besetzung (Georg Thomalla war schließlich in „Zur Hölle mit den Paukern“ als Vater Nietnagel zu sehen) eine Empfehlung auf der Lümmelbank mehr als rechtfertigt.
Finkenzeller und Thomalla brillieren als eingespieltes Ehepaar, deren alte Liebe alles andere als eingerostet ist, weil sie nicht zuletzt durch ihre Kinder immer wieder aufs Neue bewähren muss. Uwe Reichmeister, der den Ricky spielt, ist eine wahre Granate und sorgt einerseits durch seine lausbubenhafte Art für diverse Lacher, andererseits für das typische Berliner Fludium der Reihe, weil er neben Walter Gross und Willi Rose als einziger der Hauptdarsteller so richtig breit und gemütlich berlinert.

Fotos aus "Der Umzug" und "Der Diebstahl"

„Unser Pauker“ ist natürlich nichts anderes als leichte Unterhaltung und hat nicht viel von der Ernsthaftigkeit, mit der „Die Kramer“ Schüler und Zuschauer unterrichtet, die einzelnen Episoden überzeugen aber heute noch durch liebenswürdige Lebensweisheiten und einen unbestreitbaren nostalgischen Charme. Gerade Berlin-Liebhaber werden sich mit Freude in eine Zeit zurückversetzen lassen, in der die Eckkneipe noch eine unumstößliche Institution war und Straßenbahnen bis zur Gedächtniskirche fuhren.
Für besonders empfehlenswert halte ich die Episoden „Der Umzug“, „Der Ausflug“, „Die Spende“, „Sorgen um Norbert“ und „Das Pflegekind“ sowie – gesegnet mit Auftritten der unvergleichlichen Agnes Windeck – „Der Besuch“ und „Die Kur“. Als Tante Hedwig stellt die gebürtige Hamburgerin ihr Talent, Szenen zu beherrschen und mit ihrer schrill flötenden Stimme alle anderen zu übertönen, unter Beweis und zeigt, welch ein Drachen so eine waschechte Erbtante sein kann. Andere Misstöne kommen selten auf. Lediglich „Ehesorgen“ fällt hier ein wenig aus dem Raster – eine Folge, die man heute so nicht mehr drehen würde und könnte: Ulrich Schulz entpuppt sich als altmodischer Patriarch, der es seiner Frau verbietet, eine Stellung anzunehmen, weil er darin ihr Eingeständnis sieht, „von der Hausarbeit nicht ausgefüllt“ zu sein. Zum Glück der beiden erweist sich die Stelle eine Episode später sowieso als Reinfall.

Fotos aus "Ruhiger Montag" und "Der Schlüssel"

Für die vorzüglichen Drehbücher zeichnete Detlef Müller verantwortlich, der später unter anderem auch für die ZDF-Krimiserie „Der Alte“ schrieb.
Im Folgenden möchte ich einen Überblick über die Serie in Form eines kurzen Episodenguides geben.

1. Der Umzug (ES: 21. September 1965)
Aufregung in einem Tempelhofer Mietshaus: Neue Nachbarn sind im Anmarsch: Die Familie eines Lehrers soll es sein. Mutter und Vater, zwei Söhne, eine Tochter. Doch entgegen den Erwartungen, die der Beruf des Familienoberhaupts weckt, sind die ersten Eindrücke alles andere als vorbildlich: Ein Onkel wird fälschlicherweise für den „Pauker“ Schulz gehalten, der Hausfrieden empfindlich gestört und dann macht sich auch noch der Tukan des kleinen Ricky aus dem Staub ...

2. Das Unwetter (ES: 5. Oktober 1965)
Freude im Hause Schulz: Ulrichs alte Schulkameraden haben sich zu einem Klassentreffen angesagt. Weil der Pauker allerdings in Stuttgart zur Schule gegangen ist, müssen die Freunde mit dem Flugzeug anreisen. Das große Unglück kündigt sich erst wenige Stunden vor Abflug der Maschine an: Ein Unwetter verhindert die Reise. Die Familie Schulz droht auf ihren Feiervorbereitungen sitzenzubleiben – doch da ist ja noch die Fete, auf die die Tochter Susanne unbedingt gehen wollte ...

3. Der Diebstahl (ES: 19. Oktober 1965)
Manche Bonbons sind nicht nur schädlich für die Zähne, sondern auch für die Moral von Ulrich Schulzes Schülern. Sie stehen unter Verdacht, den Kioskbesitzer Passelmeier bestohlen zu haben. Zur Verwunderung aller meldet sich Knallepings-Bernd, eigentlich ein Außenseiter, den Diebstahl begangen zu haben. Angeblich wollte er sich damit die Anerkennung seiner Mitschüler sichern. Schulz kommt die Sache spanisch vor, sodass er gemeinsam mit Ricky auf Spurensuche geht ...

4. Der Ausflug (ES: 2. November 1965)
Oh, wie schön ist doch der Wannsee! Das Ehepaar Janitz, die Wirtsleute aus dem Erdgeschoss, sind stolze Besitzer eines Bungalows und eines Boots und laden die Familie Schulz zu einem entspannten Tag am Wasser ein. Leider wird daraus nicht viel: Ruth gerät mit Frau Janitz in die Fänge eines selbstverliebten Operettensängers, Ricky macht sich auf eigene Faust auf den Weg und Ulrich und Nachbar Ziermann werden wegen eines Missverständnisses beinah von der Polizei festgenommen ...

5. Ruhiger Montag (ES: 16. November 1965)
Eigentlich wollte Ruth nur bei Janitz in der Kneipe fernsehen. Die beiden, die für den Abend das Lokal geschlossen und sich verabschiedet haben, bekommen gar nicht mit, wie ihre Freundin plötzlich von einer ganzen Busladung Mainzer Touristen überrascht wird, die unbedingt noch Essen und Getränke aufgetischt bekommen wollen. Von wegen ruhiger Montag! Ulrich, Susanne und Herr Ziermann müssen zur Hilfe eilen und sich als Kellner oder Koch üben ...

Fotos aus "Der Besuch" und "Sorgen um Norbert"

6. Der Schlüssel (ES: 30. November 1965)
Christian, der ältere der beiden Schulz-Söhne, verdingt sich neben seinem Studium als Taxifahrer. Vom Flughafen Tempelhof aus fährt er Gäste durch ganz Berlin. Eines Tages steigt die hübsche Karla in seinen Wagen. Nachdem die erste Begegnung eher ruppig verläuft, verabschieden sich die beiden doch mit der Absicht, sich wiederzusehen. Und das wird dringender als zunächst gedacht: Karla hat im Wagen den Schlüssel ihrer neuen Wohnung verloren und muss nun bei den Schulzes übernachten ...

7. Die Spende (ES: 14. Dezember 1965)
Der Rektor der Schule, an der Ulrich Schulz unterrichtet, bittet seinen verlässlichen Pauker, für einen Wohlfahrtsscheck einen geeigneten Bedürftigen ausfindig zu machen, dem mit 1000 Mark das Weihnachtsfest versüßt werden kann. Bald hat Schulz den richtigen Mann, den verarmten Kunstmaler Siebert, gefunden, aber dessen Stolz verbietet es ihm, die milde Spende anzunehmen. Schulz muss sich eine Möglichkeit einfallen lassen, Siebert das Geld unauffällig unterzuschieben ...

8. Die Vertretung (ES: 28. Dezember 1965)
Ulrich Schulz muss wegen Gelbsucht das Bett hüten. Seine Klasse wird derweil von der engagierten Junglehrerin Fräulein Berger geleitet. Doch anstatt über das Fehlen des liebgewonnenen Paukers zu klagen, erfreuen sich die Schüler an den unkonventionellen Methoden der Vertretung. Sogar die Ergebnisse der letzten Arbeit fallen überraschend gut aus. Vielleicht sogar zu gut? Während Susanne versucht, sich zwischen ihren zwei Charmeuren zu entscheiden, kommt Schulz einem Schwindel auf die Spur ...

9. Der Besuch (ES: 12. Januar 1966)
Ein Telegramm wirft unheilvolle Schatten voraus: Tante Hedwig kündigt ihren Besuch an. Natürlich plant sie, während ihres Berlin-Aufenthalts bei ihrer Familie zu wohnen. Und dann kommt sie zu allem Überfluss auch noch eher an. Mit ihrem „Familiensinn“ und den altmodischen Ansichten über Betragen und Standesehre bringt sie nicht nur Familie Schulz zur Weißglut, sondern auch Nachbar Ziermann und dessen Haushälterin auseinander. Wie kann der Schaden wieder gutgemacht werden?

10. Das Jubiläum (ES: 26. Januar 1966)
Ricky plagt die Unsicherheit: Ein Nachbar möchte ihm einen jungen Hund schenken, den er nicht selbst behalten kann; allerdings weiß Ricky genau, dass seine Familie ihm das Haustier nicht erlauben würde. Zur selben Zeit kämpft Ruth mit anderen Problemen: Ulrichs 25-jähriges Dienstjubiläum steht vor der Tür und weil sie ihm einen teuren Globus schenken möchte, muss sie zusätzliches Geld auftreiben. Als ihr Frau Janitz den Betrag leiht, kommt es zu Missverständnissen unter den Hausbewohnern ...

Fotos aus "Sorgen um Norbert" und "Ehesorgen"

11. Sorgen um Norbert (ES: 9. Februar 1966)
Der Junge Norbert kommt eines Morgens unentschuldigt nicht zur Schule. Ulrich Schulz macht sich Sorgen um das Kind und stellt fest, dass sich seine Eltern nicht genug um ihren Sohn kümmern. Vater und Mutter geben vor, zuviel zu tun zu haben, sodass sich die Familie Schulz Norberts annimmt. Gemeinsam mit ihm und Ricky besuchen sie das Dorf Lübars mit seinem Bauernhof und der Pferdekoppel. Der Ausflug hat es Norbert so sehr angetan, dass er gar nicht mehr zurück nach Hause will ...

12. Jacqueline (ES: 23. Februar 1966)
Susannes Auslandsaufenthalt führt zu Verwicklungen im Hause Schulz. Für Susanne, die nach Paris gereist ist, soll bei ihnen zum Austausch eine Französin namens Jacqueline einziehen. Weil Schulzes aber gerade bei Onkel Arnos Geburtstagsfeier sind, als ihr neues „Kind“ eintrifft, und Jacqueline stattdessen von Otto Janitz aufgenommen wird, geht Frau Janitz davon aus, dass ihr Mann ein außereheliches Liebesverhältnis pflegt. Sie verlässt wutentbrannt das Haus ...

13. Jugendstreiche (ES: 9. März 1966)
Nachdem im vergangenen Herbst das Klassentreffen von Ulrich Schulz und seinen ehemaligen Kameraden aus Stuttgart ausfallen musste, wird es nun nachgeholt. Zur Überraschung des Paukers ist sogar sein ehemaliger Klassenlehrer mit von der Partie. Bei einem Abendessen kommt die Sprache auf einen Streich, den Ulrich seinem alten Lehrer einmal spielen wollte, der aber nie realisiert wurde. Natürlich gerät er unter Hauptverdacht, als just dieser Streich seiner eigenen Klasse tags darauf schulfrei beschert ...

14. Der tolle Wagen (ES: 23. März 1966)
Zwei gewichtige Neuerungen stehen ins Haus: Familie Schulz entschließt sich, günstig einen schicken Wagen zu kaufen. Allerdings stellt sich schnell heraus, dass es keinen Fahrer für den Wagen gibt: Ruth möchte keinen Führerschein machen und Ulrich entpuppt sich als Versager am Steuer. Vielleicht ist einer anderen Idee mehr Erfolg beschieden: Nachbar Ziermann hat zu seiner Haushälterin Frau Puhlke zurückgefunden und dieser nun vorgeschlagen, ihn zu ehelichen ...

15. Die Aufführung (ES: 6. April 1966)
Was für ein Theater! In der Schule proben Ulrich Schulz und seine Klasse ein Ritterstück, das vor allen Eltern und Lehrern aufgeführt werden soll. Ein störrischer Vater macht dem Pauker aber seinen Hauptdarsteller abspenstig – Ricky muss kurzfristig einspringen. Doch damit haben die Probleme noch kein Ende gefunden. Kurz vor der Aufführung erfährt Ulrich, dass Jacqueline heimlich für ihn schwärmt. Er muss ihr begreiflich machen, dass ihre Liebelei aussichtslos ist ...

Fotos aus "Patienten" und "Die Kur"

16. Ehesorgen (ES: 20. April 1966)
„Darf eine Frau außerhalb ihrer vier Wände keine Interessen haben?“ Diese Frage sorgt für Ehekrach bei den Schulzes. Ruth möchte eine Halbtagsstelle antreten, was ihr Ulrich aus Überzeugung und Stolz verbietet. Ausgerechnet in diese angespannte Situation platzt Herr Ziermann, der sich von seinen Nachbarn Nachhilfe in puncto harmonischer Ehegestaltung erhofft. Seine Heirat mit Frau Puhlke steht kurz bevor und ihn plagen Bedenken, ob er den Schritt in die Ehe bewältigen wird ...

17. Das Pflegekind (ES: 4. Mai 1966)
Ein befreundeter Lehrer gibt für die Zeit seines Umzugs sein Kleinkind zu den Schulzes in Pflege. Das Mädchen, Sylvia, ist aber nicht die einzige, die der Familie den letzten Nerv raubt: Es stellt sich heraus, dass Ulrich die Lottoscheine der Familie nicht abgegeben und so einen Fünfer in der letzten Ziehung vereitelt hat. 2400 Mark sind Schulzes durch die Lappen gegangen – doch unser Pauker wäre nicht unser Pauker, wenn er das gesparte Lottogeld nicht sinnvoll angelegt hätte ...

18. Patienten (ES: 18. Mai 1966)
Ricky klagt über Kopf- und Halsschmerzen. Weil die Hausärztin auf Urlaub ist, ruft Christian ihre Vertretung, den jungen Arzt Dr. Martin, in die Wohnung. Dieser kann nur feststellen, dass Ricky simuliert, doch ganz umsonst war sein Besuch trotzdem nicht: Kurt Martin bändelt mit Susanne an, die für kurze Zeit wieder in Berlin ist. Die beiden verlieben sich auf den ersten Blick. Zweifel kommen Susanne erst, als sie ihren Herzallerliebsten mit einer anderen Frau sieht. Wird sie ihm wieder vertrauen können?

19. Die Kur (ES: 1. Juni 1966)
Während Ruth für einige Tage nach Hannover fliegt, geraten die Männer der Familie Schulz erneut in die Obhut ihrer reizenden Tante Hedwig. Sie versucht nicht nur, Ulrich und seinen Söhnen einen Sinn für Ordnung einzubläuen, auch verordnet sie ihren Schäfchen eine unappetitliche Weizenschrotkur. Um wenigstens kurzzeitig aus ihren Fängen zu entkommen und wichtige Verpflichtungen wahrnehmen zu können, engagieren Christian und Ulrich ein Ablenkungskommando ...

20. Die Entscheidung (ES: 15. Juni 1966)
Wagt der Pauker diesen Schritt? Eine nahe Verwandte bietet den Schulzes gut bezahlte Stellungen in einem Hotel auf dem Land an. Sie würden ihr Einkommen deutlich verbessern und könnten zudem endlich in ihr lang ersehntes Häuschen im Grünen ziehen. Allerdings müsste Ulrich dafür seinen Dienst quittieren und seine Klasse im Stich lassen. Als ob diese Entscheidung nicht schon schwer genug wäre, kommt es auch noch zu Auseinandersetzungen zwischen Christian und Jacqueline. Doch was sich neckt, das liebt sich!

„Unser Pauker“ ist bei PolarFilm auf DVD erschienen. Das 3-Disc-Set umfasst alle 20 Episoden der Serie in chronologischer Reihenfolge und gut erhaltenem Schwarzweißbild. Außerdem enthalten ist ein achtseitiges Booklet mit Hintergrundinformationen und farbigen Werbefotos. Die Edition ist bei allen DVD-Händlern zum Preis von 8 bis 25 Euro erhältlich.

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