Freitag, 9. Dezember 2011

Komponist: Rolf Wilhelm

* 23. Juni 1927, München
† 17. Januar 2013, München
eigentlicher Name: Rolf Alexander Wilhelm


Wie es begann?
"Ganz einfach, durch einen glücklichen Zufall."
Rolf Wilhelm, der mit vollem Namen Rolf Alexander Wilhelm heißt, wird am 23. Juni 1927 in München geboren. Er wächst in einem Haus auf, in dem viel musiziert wird - schon mit sieben Jahren erhält er Klavierunterricht.
"Ich hatte gute Lehrer, die auch mein Gehör schulten. So mit 12, 13 Jahren fing ich dann an, ein bisschen zu komponieren, zunächst Lieder."
Er besucht das Gymnasium in Berlin, später in Wien, wo seine musikalische Ausbildung von einem Primgeiger der Wiener Philharmoniker fortgesetzt wird.
"Ich hatte ein Klaviertrio komponiert, das ich meinem Lehrer widmete." 
Dieser schickt ihn bald auf die Musikhochschule.
"Dort studierte ich mit Sondergenehmigung ab 1942 bei Professor Grete Hinterhofer und Komposition bei Professor Joseph Max."
Der 2. Weltkrieg setzt dem musikalischen Streben Wilhelms ein vorläufiges Ende - Wilhelm wird 1943 eingezogen.
"Mit fünfzehneinhalb Jahren wurde ich als Luftwaffenhelfer eingezogen, kaserniert und kam nach Fronteinsatz und Gefangenschaft mit achtzehn Jahren zurück nach München."
Doch die Chancen im zerstörten München stehen schlecht.
"Außer einem Notabitur hatte ich gar nichts vorzuweisen."
Doch dann kommt für Wilhelm der Zufall ins Spiel: Radio München, der Vorläufer des späteren Bayerischen Rundfunks (BR), produziert im Februar 1946 eines der ersten Hörspiele: "Das Gespenst von Canterville" nach Oscar Wilde. Allerdings fehlt eine dazu passende Gespenstermusik. Was tun? Man fragt unter anderem den Dramaturgen und Regieassistenten um Rat und der sagte, "er könne ja seinen aus Liebhaberei komponierenden Bruder fragen, ob er etwas derartiges schreiben könne". So entsteht fast über nach Rolf Wilhelms erste Orchesterkomposition. Sie hat Erfolg und er bekommt sofort die nächsten Aufträge für Kinderfunk, Schulfunk und literarische Hörspiele.
"Und schon bald dirigierte ich meine eigenen Kompositionen und wurde ein vielbeschäftigter freier Mitarbeiter."
Parallel dazu führt Wilhelm sein Studium an der Hochschule für Musik in München zu Ende und legt 1948 seine Reifeprüfung ab. Seine Lehrer sind u.a. Heinrich Knappe (Dirigieren), Joseph Haas (Komposition) und Hans Rosbaud (Meisterkurs), einer seiner Mitschüler ist der später ebenfalls als Filmkomponist tätige Eugen Thomass.

1954 wird zu einem ereignisreichen Jahr für den Siebenundzwanzigjährigen Wilhelm: Paul May verfilmt den ersten Teil der "08/15"-Troligie (nach Hans Hellmut Kirst) mit einem jungen Team: Joachim Fuchsberger, Peter Carsten, Paul Bösinger, Mario Adorf. Rolf Wilhelm schreibt seine erste Filmmusik.

Die nächsten Filmkompositionsaufträge lassen nicht lange auf sich warten. Ab jetzt wird er bis Anfang der achtziger Jahre jedes Jahr einen oder mehrere Spielfilme musikalisch betreuen. Nach Vollendung der "08/15"-Trilogie entsteht 1957 der Dokumentarspielfilm "Streifzug durch eine Stadt" zur 800-Jahr-Feier von München, 1958 kommt der Film "Die grünen Teufel von Monte Cassino" (nach Oberst a. D. Böhmler) mit großer sinfonischer Musik in die Kinos.

Weitere bekannte Filme sind 1959 "Und ewig singen die Wälder", 1960 "Das Erbe von Björndal" (Beide nach Trygve Gulbranssen) und "Via Mala" (nach John Knittel), 1961 der Zweiteiler "Es muss nicht immer Kaviar sein" und "Diesmal muss es Kaviar sein" (Beide nach Johannes Mario Simmel). Wilhelms Handschrift ist unverwechselbar, ob klassisch sinfonischen oder modernen, jazzigen Partituren.

Nicht weniger geschätzt sind seine Kompositionen für Kriminalfilme wie "Scotland-Yard jagt Dr. Mabuse" (nach Bryan Edgar Wallace) oder Komödien wie "Das schwarz-weiß-rote Himmelbett", der Durchbruch für die immer populärer werdende "Ntscho-ntschi" Marie Versini.

Eingespielt werden die Soundtrack-Aufnahmen immer mit "Großem Filmorchester" in München, Wien (Wiener Symphoniker) oder dem RIAS-Tanzorchester Berlin. Die Musik zu "Julia, du bist zauberhaft" (nach William Somerset Maugham) mit Lilli Palmer und Charles Boyer wird beispielsweise mit Erwin Lehns Südfunk-Tanzorchester in Stuttgart aufgenommen. Am häufigsten arbeitet Wilhelm aber mit dem Filmorchester in München zusammen.

Für die aufwendige, zweiteilige Verfilmung der deutschen Heldensaga "Die Nibelungen" (1966) wird Wilhelm wieder von Artur Brauner engagiert. Die Besetzung des Siegfried mit dem Weltklasse-Hammerwerfer Uwe Beyer erweist sich zwar als unglücklich, trotzdem wird Wilhelms breit angelegte, rhapsodische Partitur zu einem seiner größten Erfolge.

Einen nicht alltäglichen Kompositionsauftrag bringt das Jahr 1967. Bei der Koproduktion zwischen BRD und der DDR "Die Heiden von Kummerow und ihre lustigen Streiche" (nach Ehm Welk) nimmt Wilhelm seine Musik mit DEFA-Filmorchester in Potsdam-Babelsberg auf.

"Die Lümmel von der ersten Bank" lautet der Titel des ersten von sieben Filmen der Lümmel-Serie, von denen Wilhelm sechs Filme vertont. Hier kann er auch seiner Kunst des modernen Arrangements freien Lauf lassen. Die Filme profitieren nicht nur von der Musik, sie leben von ihr. Außerdem ergibt sich für Wilhelm ein weiteres Zusammentreffen mit dem Jungstar Hansi Kraus, den er schon von Helmut Käutners Verfilmung der "Lausbubengeschichten" (nach Ludwig Thoma) kennt. Die Filmserie endet 1972 und das Kinosterben wirkt sich auch auf Rolf Wilhelms Arbeit aus.

In den nächsten Jahren betreut er nur noch einen Film pro Jahr und verlegt sich mehr auf das Schreiben von Bühnenmusiken für Zürich, Wien und München. Hier entsteht in Zusammenarbeit mit seinem Bruder, dem Autor und Regisseur Kurt Wilhelm, 1975 das bisher über achthundertmal gespielte Theaterstück "Der Brandner Kaspar und das ewige Leben". Am Burgtheater Wien dirigiert er 1986 seine Musik zu Nestroys "Lumpazivagabundus". Nebenbei vertont er Episoden für Fernsehserien wie "Der Kommissar", "Derrick", "Die 5. Kolonne" oder "Gestern gelesen". Im Kino ist er mit "Das fliegende Klassenzimmer" (1973, nach Erich Kästner), "Als Mutter streikte" (1974, nach Eric Malpass) und 1976 mit Ingmar Bergmanns "Das Schlangenei" vertreten. Danach wird es in der Kinoszene stiller um Rolf Wilhelm.

Mit Loriots "Ödipussi" feiert er 1988 ein grandioses Comeback. Wieder gelingt ihm eine fröhlich-ironische Filmmusik für großes "Kintopp-Orchester", die das Sahnehäubchen auf dem Film darstellt. Auch für Loriots zweiten Kinofilm, "Pappa ante Portas", wird Wilhelm wieder unter Vertrag genommen und bedankt sich mit dem besonders schönen, schmissigen Schlussmarsch. Das ist die letzte Filmmusik von Rolf Alexander Wilhelm, ein krönender Abschluß einer traumhaften Karriere.
"Und dabei wollte ich eigentlich Mediziner werden, aber durch den Zufall mit dem 'Gespenst von Canterville' wurde meine große Liebe, die Musik, vom Hobby zum Beruf. Bin ich nicht ein Glückskind?"
Und wie sagte einmal sein Komponistenkollege Gert Wilden:
"Wir sind gut, aber Rolf Wilhelm ist der Beste!"
Gastautor: Christopher Klaese (Falkensee, Juli 2001)
Der Text wurde mit freundlicher Genehmigung des Autors dem Begleitheft der CD "Deutsche Filmkomponisten, Folge 4 - Rolf Wilhelm" (BCD 16484 AR), erschienen bei Bear Family Records, entnommen und leicht überarbeitet.

Filmografie

Komponist für Lümmel- und Paukerfilme
Weitere Arbeiten für Film und Fernsehen

1954: Phantom des großen Zeltes; 1955: Madame Aurélie; 08/15 - Zweiter Teil; 08/15 - In der Heimat; 1956: Wo die alten Wälder rauschen; Weil du arm bist, musst du früher sterben; 1958: Die grünen Teufel von Monte Cassino; 1959: Heimat, deine Lieder; Die feuerrote Baronesse; Und ewig singen die Wälder; Kasimir und Karoline (TV)

1960: Der Schleier fiel; Die zornigen jungen Männer; Das Erbe von Björndal; Schick deine Frau nicht nach Italien; 1961: Zu viele Köche (TV); Via Mala; Ruf der Wildgänse; Don Carlos; Es muss nicht immer Kaviar sein; Diesmal muss es Kaviar sein; 1962: Julia, du bist zauberhaft; Das schwarz-weiß-rote Himmelbett; Anatol (TV); 1963: Ferien vom Ich; Barras heute; Venusberg; Tod eines Handlungsreisenden (TV); Scotland Yard jagt Dr. Mabuse; 1964: Kennwort... Reiher; Bericht von den Inseln (TV); Tonio Kröger; Die fünfte Kolonne (TV); Lausbubengeschichten; 1965: Wälsungenblut; Radetzkymarsch (TV); Glück in Frankreich (TV); Die schwedische Jungfrau; An der Donau, wenn der Wein blüht; Tante Frieda - Neue Lausbubengeschichten; 1966: Grieche sucht Griechin; Die Nibelungen, Teil 1: Siegfried; Onkel Filser - Allerneueste Lausbubengeschichten; 1967: Der Paukenspieler; Die Nibelungen, Teil 2: Kriemhilds Rache; Sherlock Holmes (TV); Wenn Ludwig ins Manöver zieht; Die Heiden von Kummerow und ihre lustigen Streiche; 1969: Kurzer Prozess (TV); Ludwig auf Freiersfüßen

1970: Das Glöcklein unterm Himmelbett; 1971: Der scharfe Heinrich; 1972: Die Lokalbahn (TV); 1974: Als Mutter streikte; Der Kommissar (TV); 1976: Derrick (TV); 1977: Unordnung und frühes Leid; Abelard - Die Entmannung; Das Schlangenei; Die Jugendstreiche des Knaben Karl; 1978: Hiob (TV); Sachrang (TV); 1979: Die wunderbaren Jahre

1980; Glaube, Liebe, Hoffnung (TV); Aus dem Leben der Marionetten; 1981: Der Gerichtsvollzieher (TV); Tarabas (TV); Tippfehler (TV); 1982: Doktor Faustus; 1984: Heiße Wickel - kalte Güsse (TV); 1985: Hochzeit (TV); 1986: Flucht ohne Ende (TV); 1987: Es geigt sich was (TV); 1988: Ödipussi; 1989: Sukkubus - den Teufel im Leib

1990: Rosamunde; 1991: Wer Knecht ist, soll Knecht bleiben (TV); Stein und Bein (TV); Pappa ante Portas; 1992: Die Ringe des Saturn (TV)

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