Weil er nie eine öffentliche Schule besuchte, soll Dr. Pfeiffer, wenn es nach seinen Freunden geht, ein Jahr als Pennäler zubringen. Pfeiffer, auf der Suche nach dem, was ihm in seiner Jugend fehlte, willigt ein und findet sich kurz darauf tatsächlich an der Schulbank wieder. Mit den engstirnigen Ansichten der Lehrer hatte er allerdings nicht gerechnet.
Filmkritik
Unter den Lümmel- und Paukerfilmen zwischen 1967 und 1974 nimmt "Die Feuerzangenbowle" beinah eine alleinige Position in seiner klassisch-ernsthaften Herangehensweise ein, die sich in Originaltreue an Heinrich Spoerls berühmtem Roman, in dem historischen Setting der norddeutschen Provinz und dem eher getragenen Inszenierungsstil Helmut Käutners manifestiert. In gewisser Weise heranreichen kann daran nur noch "Das fliegende Klassenzimmer" nach Erich Kästners Vorlage, doch diese Produktion wird ein anderes Mal zur Debatte stehen.
Spoerl schrieb zur "Feuerzangenbowle" den wunderbaren Satz "Dieser Roman ist ein Loblied auf die Schule, aber es ist möglich, dass die Schule es nicht merkt." Ebenso könnte man formulieren "Dieser Film ist ein Loblied auf die deutsche Kinolandschaft, aber es ist möglich, dass kein Kritiker es merkt." - Die Rialto hat für ihr Remake, bei dem ich mir immer wieder überlege, ob ich es insgeheim nicht gar der allgegenwärtigen 1944er-Fassung, die ihrerseits ebenfalls nur das Remake des 1930 entstandenen Films "So ein Flegel" war, vorziehen soll, eine respektvolle Verbeugung vor dem beliebten Genre und ihrer eigenen Handwerkskunst geschaffen. Schon in der Eröffnung wird dies ersichtlich: Die Herrenrunde, die sich um die Feuerzangenbowle versammelt, um ihren Erinnerungen nachzuhängen, ist so prominent besetzt, dass Fernsehanstalten mit diesen Namen mindestens zwei Staffeln gefüllt hätten: Neben Walter Giller sind Hans Hessling, Ulrich Beiger, Wolfgang Lukschy, Harry Wüstenhagen und Albert Lieven zu sehen - wohlgemerkt für etwa fünf Minuten zu Beginn und am Ende.
Im Mittelteil wechselt Giller, der optisch eine bemerkenswerte Veränderung mitmacht, im Vergleich zu seiner ein Jahr vorher gespielten Lehrerrolle wieder ins Schülerquartier und wird hierbei sowohl von den "üblichen Verdächtigen" (Wolfgang Condrus, Gerd Lohmeyer) als auch von einmaligen Gastdarstellern (z.B. Hans Werner Bussinger) unterstützt. Das Augenmerk liegt aber auf der Lehrerriege: Von Theo Lingen, der dieses Mal den Professor Crey gibt und damit nicht den Direktor, erwartet wohl jeder, dass er Erich Pontos Fußstapfen mehr als ausfüllen, nämlich auch einen ganz individuellen Eindruck hinterlassen kann. Die allen gegenwärtige Betonung des "winzigen Schlocks" tönt in seiner Stimme fast noch einmal so schön, zumal er auch wunderbare Blüten wie "Sie werden sich an strenge Schulzucht gewöhnen müssen" heraushauen darf. Doch auch andere Mimen, die sonst in Nebenrollen oder Klamaukstücken verheizt wurden, erleben hier wahre Glanzstunden. Für sie soll Willy Reichert stellvertretend erwähnt sein.
Für die richtige Ausstattung des Films sorgen die spielerische, aber nicht alberne Musik von Bernhard Eichhorn, die idyllischen Außenaufnahmen, die in Berlin und Wolfenbüttel entstanden und unter anderem den dortigen Stadtmarkt zeigen, sowie die zeitgenössischen Kostüme von Ingrid Zoré. Regisseur und Drehbuchautor Helmut Käutner hetzte nicht, überdrehte nicht, sondern filmte das Geschehen in unaufgeregter Weise und mit vielen kleinen Spitzen (in Richtung Aufklärung, Stummfilm oder Fritz Lang).
TV-Zeitschriften, die ihren leichtgläubigen Lesern einreden wollen, "der Pfiff des Originals fehle" in dieser Neuverfilmung, sollten endlich lernen, dass deutsche Filmkunst nicht mit dem NS-Staat unterging. Auch in Farbe überzeugt die "Feuerzangenbowle" auf ganzer Linie, denn Käutners Behutsamkeit, mit der er Pfeiffers Abenteuer "nach altem Rezept neu anrichtete", ist das A und O dieses schönen Films.
Zitate
- Mit einem F oder mit zwei F? - Mit drei F, Herr Professor, eins vor dem Ei und zwei hinter dem Ei.
- Was ist denn in Sie gefahren? Sie faseln ja!
- Diese Freveltat muss unnachsichtig bestraft werden.
- Und das nächste Mal erzählst du mir alles von der Liebe. Alles - auch das Schlimme.
Regie: Helmut Käutner. Regie-Assistenz: Erica Balqué. Drehbuch: Helmut Käutner nach dem gleichnamigen Roman von Heinrich Spoerl. Kamera: Igor Oberberg. Kamera-Assistenz: Joachim Gitt, Alex Henschel. Bauten: Michael Girschek. Ton: Gunter Kortwich. Kostüme: Ingrid Zoré. Masken: Willi Nixdorf, Charlotte Kersten. Schnitt: Jane Sperr. Musik: Bernhard Eichhorn. Aufnahmeleitung: Dieter Melzer, Wolf-Dietrich Peters. Produktionsleitung: Herbert Kerz. Herstellungsleitung: Fritz Klotzsch. Drehzeit: 30. Juni bis 07. August 1970. Atelier: Ufa-Studios Tempelhof, Berlin. Außenaufnahmen: Berlin, Wolfenbüttel. Produktionsfirma: Rialto Film Preben Philipsen GmbH & Co. KG, Berlin. Produzent: Horst Wendlandt. Erstverleih: Inter-Filmverleih, Hamburg. Zweitverleih (ab Juli 1971): Constantin-Film, München. Weltvertrieb: Rialto Film, Berlin. Länge: 2731 Meter. Filmdauer bei Kinoprojektion (24 Einzelbilder pro Sekunde): 100 Minuten. Format: 35 mm; Farbe (Eastmancolor), 1:1.66. Uraufführung (Premiere): 18. September 1970, Gloria Palast, Berlin. Uraufführung (Massenstart): 19. September 1970.
Die Personen und ihre Darsteller:
Dr. Hans Pfeiffer: Walter Giller. Eva Knauer: Uschi Glas. Marion Xylander: Nadja Tiller. Professor Crey: Theo Lingen. Professor Bömmel: Willy Reichert. Direktor Knauer: Fritz Tillmann. Dr. Brett: Hans Richter. Husemann: Wolfgang Condrus. Frau Windscheid: Helen Vita. Frau Dir. Knauer: Alice Treff. Oberschulrat Hinzelmann: Herbert Weißbach. Klemke: Willi Rose. Rosen: K.J. Cramer. Knebel: Hans Werner Bussinger. Luck: Gerd Lohmeyer. In weiteren Rollen: Rudolf Schündler, Ulrich Beiger, Wolgang Lukschy, Albert Lieven, Harry Wüstenhagen, Bernard Eichhorn, Hans Hessling, Tilo von Berlepsch, Volker Bogdan, Dagmar Tass, Barbara Hampel, Ilse Fürstenberg u.v.a.
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